Anspruch auf ein angemessenes Honorar

Seit der Urheberrechtsreform ("Erster Korb") im Jahre 2002 haben alle Urheber einen – wenn auch indirekten – gesetzlichen Anspruch auf angemessene Honorare für die Nutzung ihrer Werke. Galt bis dahin als unumstößliche Wahrheit: "Wer schlecht verhandelt hat, dem ist nicht zu helfen", so kann man nach der neuen Gesetzeslage auch schlechte Verträge unterschreiben – und anschließend eine Erhöhung des Honorars verlangen. Das funktioniert so:

Zunächst gilt das vertraglich vereinbarte Honorar. Ist das aber nach den gesetzlich definierten Maßstäben nicht angemessen, so kann der Urheber nach § 32 UrhG vom Auftraggeber verlangen, dass in den Vertrag nachträglich eine angemessene Vergütung eingesetzt wird. Über deren Höhe müssen sich beide einigen. Gibt es keine Einigung oder weigert der Auftraggeber sich generell, so kann der Urheber (mit ver.di-Rechtsschutz) Klage auf Änderung des Vertrages erheben. Bei einer Klage auf nachträgliche Vertragsanpassung entscheidet ein Gericht, ob und auf welchen Betrag die vereinbarte Honorarsumme heraufzusetzen ist. Was eine im Sinne des Gesetzes angemessene Vergütung ist, wird weiter unten erläutert. Der Anspruch verjährt am Ende des dritten Jahres nach Vertragsschluss – bei einem Vertrag aus dem Jahre 2024 kann ich also bis zum 31.12.2027 ein höheres Honorar verlangen.

Wichtig ist, dass man dazu nicht den Vertrag als solchen anzufechten braucht. Der Auftrag, den der Vertragspartner erteilt hat, bleibt in diesem Fall also komplett bestehen – lediglich das Honorar wird geändert. Auch die andere Seite kann den Vertrag nur unter den Bedingungen kündigen, die im Gesetz oder im Vertrag stehen. 

Aber Vorsicht: Trotz dieser Gesetzesänderung gibt es angemessene Vergütungen nicht automatisch. Nach wie vor müssen wir selbst unsere Honorare aushandeln, müssen wir selbst vom Auftraggeber eine Honorarerhöhung verlangen, und müssen wir selbst ihn verklagen, wenn er darauf nicht eingeht. Verhandlungen werden nach dem neuen Gesetz also nicht überflüssig. Wohl aber erleichtert.

Um Tricksereien auszuschließen, gilt dieser Anspruch für alle Verträge, bei denen die "maßgeblichen Nutzungshandlungen" in Deutschland erfolgen – also auch für das Buch, das die französische Tochterfirma für den deutschen Markt herausbringt. Vertragsklauseln, mit denen Urheber vorab auf diesen Anspruch verzichten, sind nichtig (siehe "Besondere Schutzrechte").

Was ist ein angemessenes Honorar?

Erhebt eine Urheberin Klage auf Anpassung ihres Honorars, so muss das zuständige Gericht feststellen, welches Honorar im konkreten Fall angemessen wäre. Dafür setzt das Gesetz drei Maßstäbe:

  • Wo es Tarifverträge gibt (z.B. für arbeitnehmerähnliche Selbstständige), sind die darin festgelegten Vergütungen angemessen. Daran lässt das Gesetz keinen Zweifel.
  • In allen anderen Bereichen sollen Verwerter- und Urheberverbände gemeinsame Vergütungsregeln aufstellen. Haben sich beide Seiten auf solche Regeln geeinigt, so gelten diese als verbindlicher Maßstab für angemessene Honorare. Verhandlungen über solche Regeln hat ver.di unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes aufgenommen – abgeschlossen wurden sie bisher allein in den Bereichen Literatur, literarische Übersetzung (unterschrieben allerdings nur von sieben Verlagen), für einige Filmgewerke sowie für Texte und Fotos im Zeitungsjournalismus. Die letztere Vereinbarung über Mindestvergütungen wurden vom Zeitungsverlegerverband jedoch bereits zum 1. März 2017 wieder einseitig gekündigt. Damit gilt in dieser Branche wie in den meisten zwar weiterhin das gesetzliche Recht auf angemessene Honorare, es fehlt jedoch wieder eine von Gewerkschaften und Verlegern gemeinsam festgelegte Richtgröße.
  • Solange weder ein Tarifvertrag noch Vergütungsregeln die Mindesthonorare definieren, gilt als angemessen, "was im Geschäftsverkehr ... üblicher- und redlicherweise zu leisten ist". In diesem Fall muss im Streitfall ein Gericht prüfen, was die Branche üblicherweise bezahlt und ob dieses übliche Honorar redlich ist. Als Beispiel für unredliche aber branchenübliche Honorare, nannte die Gesetzesbegründung zum §32 UrhG die Vergütungen für literarische Übersetzungen.

Wer eine Klage auf angemessene und übliche Honorare erheben will, sollte sich (als Mitglied) auf jeden Fall vorher genau mit ver.di beraten. So eine Klage ist zwar immer möglich, wenn es keine gemeinsamen Vergütungsregeln gibt – allerdings besteht auch die Gefahr, dass man negative Präzedenzfälle schafft. Denn in diesem Fall muss ein Amts- oder Landgericht festlegen, was für ein Honorar angemessen ist – und nicht alle Richter sind wirklich sachkundig oder urheberfreundlich.