Fahrtkosten und erste Betriebsstätte

Wer Fahrtkosten zu ständig aufgesuchten Arbeitsorten steuerlich richtig abrechnen will, muss wissen, dass Fahrten zu einer ersten Betriebsstätte nicht als Dienstreise gelten. Gibt es so eine Betriebsstätte, kann der steuerliche Unterschied schon erheblich sein. Daher werden um die Frage gerne Prozesse geführt, ob es sich bei beruflichen Wegen um Dienstreisen oder um Fahrten zur Betriebsstätte handelt. 

Wichtig ist, erst einmal zu wissen, was überhaupt eine Betriebsstätte ist. Das (er)klärt ein Rundschreiben des Finanzministeriums (IV C 6 - S 2145/10/10005:001) aus 2014 so: "Unter Betriebsstätte ist die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen … an der oder von der aus die steuerrechtlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt wird." Das Thema ist also neben abhängig Beschäftigten vor allem für Selbstständige interessant und relevant, die planen oder vereinbaren über längere Zeit bei einem oder mehreren Auftraggebern regelmäßig tätig zu werden und zwar "unbefristet, für eine Dauer von voraussichtlich mehr als 48 Monaten oder für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit". Insbesondere wer nur wenige Auftraggeber und mit diesen unbefristete Dienstverhältnisse hat, sollte sich also einmal genauer anschauen, wie da die erste Betriebsstätte definiert wird. – Bei der ganzen Übung geht es wie gesagt natürlich darum, dass für bestimmte Fahrten lediglich die Entfernungspauschale gelten soll. Und zwar für Fahrten zu Kunden, die dauerhaft, regelmäßig und/oder häufig aufgesucht werden sollen, und zwar "typischerweise (im Sinne eines Vergleichs mit einem Arbeitnehmer) arbeitstäglich oder je Woche an zwei vollen Arbeitstagen oder mindestens zu einem Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit".

Auf den ersten Blick kann es bei der Klärung verwirren – auch deshalb wurde das Rundschreiben notwendig –, dass in Sachen steuerlich abzugsfähige Fahrtkosten eine Arbeitsstätte oder Betriebsstätte anders definiert wird als im § 12 AO. Während diese Abgabenordnung den Begriff für "jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage" verwendet, "die der Tätigkeit eines Unternehmens dient", ist das in Sachen Fahrtkosten ein Ort an dem oder von dem aus die steuerbaren Einkünfte tatsächlich erzielt werden. Zusätzlich trug und trägt zur Verwirrung bei, dass das Einkommensteuergesetz bei den Werbungskosten seit 2014 im § 9 EStG mit dem Begriff "erste Tätigkeitsstelle" hantiert, der § 4 EStG (im Abs. 5 Satz 1 Nr. 6) aber unverändert von Wegen "zwischen Wohnung und Betriebsstätte" spricht, die den Gewinn nicht mindern dürfen.

Um die Verwirrung zu steigern, kann die Betriebsstätte auch ein zur Wohnung gehörender Raum sein. Das ist allerdings die Ausnahme, üblicherweise sind Arbeitsräume in der Wohnung häusliche Arbeitszimmer. Damit ein Raum, der zur Wohnung gehört, als Betriebsstätte gilt, darf er "nicht in die häusliche Sphäre eingebunden" sein. Das gilt beispielsweise für Praxisräume, für die eine private Nutzung oder eine Nutzung als Arbeitszimmer nicht in Frage kommt. Zum (eher seltenen) Fall der häuslichen Betriebsstätte hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Grundsatzbeschluss vom Mai 2017 (Az. X B 23/17) auch noch das Kriterium der "nach außen erkennbaren Widmung für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr" betont. Generell ist eine Betriebsstätte 

  • eine "ortsfeste Einrichtung" (also kein Schiff oder Lkw),
  • die von Selbstständigen, dem Auftraggeber oder "vom Auftraggeber bestimmten Dritten" unterhalten wird und
  • in der die selbstständige Tätigkeit "dauerhaft ausgeübt wird".

Üblich ist da die außerhäusliche Betriebsstätte. Wer verschiedene Kunden hat, kann natürlich auch zu mehreren Betriebsstätten dienstliche Fahrten unternehmen. Die erste Betriebsstätte, für die dabei jedoch nur die Fahrtkosten (für den einfachen Weg), jedoch keine Reisekosten geltend gemacht werden können, ist jene, in der eine Selbstständige (wie oben bereits erwähnt) dauerhaft sowie "typischerweise"

  • an jedem Arbeitstag oder
  • an mindestens zwei Arbeitstagen pro Woche oder
  • zu mindestens einem Drittel ihrer regelmäßigen Arbeitszeit

tätig wird. Treffen diese Kriterien sogar auf mehrere Betriebsstätten zu, gilt als "erste Betriebsstätte" diejenige, die der Wohnung der Selbstständigen am nächsten liegt. Weiter hat das Bundesfinanzministerium im BMF-Schreiben IV C 6 - S 2145/10/10005:001 vom 23.Dezember 2014 festgelegt, dass

  • jeder Selbstständige für jedes seiner Unternehmen nur eine erste Betriebsstätte haben kann,
  • ein häusliches Arbeitszimmer niemals eine Betriebsstätte sein kann. Dagegen
  • eine Bildungseinrichtung die erste Betriebsstätte sein kann, wenn die Selbstständige dort
    • "aus betrieblichem Anlass"
    • in Vollzeit
    studiert oder sich fortbildet.

Mit dieser Neudefinition zum 1.1.2014 wurden einige der früher sehr zahlreichen Streitereien mit den Finanzämtern über die Abrechnung von Fahrtkosten ausgeräumt, die zuvor regelmäßig vor den Finanzgerichten landeten:

  • Unterrichtet eine selbstständige Dozentin nur an einer entfernt gelegenen Volkshochschule, sind es Wege zur Arbeit; unterrichtet sie dagegen ebenso regelmäßig noch an einer weiteren, der Wohnung näher gelegenen Schule, gilt: der näher gelegene Arbeitsort ist erste Betriebsstätte und die Fahrten zur VHS sind Dienstfahrten. Das gilt aber nicht mehr, sobald sie ganz überwiegend in der VHS arbeitet. In solchen Fällen, so etwa das Finanzgericht Düsseldorf am 19.3.2019 (Az. 9 K 1960/17 E,G), kann das "(Auffang-) Kriterium, wonach im Zweifel die nähere Betriebsstätte zu Grunde zu legen ist" nicht greifen.
  • Die bekloppte alte Regelung, nach der ein Handelsvertreter, der morgens vom Frühstück zu einem 200 km entfernten Kunden fuhr, diese Fahrt so lange nur mit der niedrigeren Entfernungspauschale abrechnen durfte, wie er nicht auf dem Weg dorthin sein Büro (= Betriebsstätte) aufsuchte, gilt seit 2014 nicht mehr: Alle Fahrten zu einer anderen als der ersten Betriebsstätte sind Dienstfahrten – egal ob sie von zu Hause aus, von der ersten oder von einer anderen Betriebsstätte aus unternommen werden.
  • Im Einzelfall bleibt weiterhin zu entscheiden, wo die erste Betriebsstätte liegt. Wenn beispielsweise ein IT-Spezialist, der von einem großen Unternehmen für einen längeren Zeitraum engagiert wird und ein festes Büro im Betrieb des Auftraggebers bekommt, sind die Bedingungen des Gesetzes für die erste Betriebsstätte erfüllt, aber es ist bleibt nun mal ein Büro, das er nicht beliebig für sein eigenes Unternehmen nutzen darf. Zu dieser Konstellation hatte das Finanzgericht Düsseldorf am 19.2.2013 (Az. 10 K 829/11 E) festgestellt, dass so ein Arbeitsplatz nicht die Betriebsstätte des Informatikers sein kann. Vor allem, er dort weil nicht beliebige Arbeiten – wie etwa Buchhaltung, Schriftverkehr oder Aufträge für andere Kunden – erledigen kann. Hingegen entschied das Hessische Finanzgericht am 19.9.2016 (Az. 9 K 485/16), dass ein IT-Berater, der zwischen 2010 und 2012 regelmäßig beim Kunden arbeitete, dort auch seine Betriebsstätte habe.

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