Statusfragen

Am Anfang der Selbstständigkeit steht oft eine Raterunde: Welchen Erwerbsstatus habe ich tatsächlich? Denn: Nicht alle, die sich selbstständig fühlen, sind es auch aus juristischer Sicht. Das sehen Gesetze und vor allem Gerichte im Einzelfall manchmal anders. Dass mangels klarer gesetzlicher Kriterien da die einzelnen Gerichtszweige – Sozialrecht, Arbeitsrecht und Steuerrecht – ihre jeweils eigenen Status-Definitionen entwickelt haben, macht es nicht einfacher.  

Begriffe wie Freelancing, freie Mitarbeit, Honorarkraft etc. sind gesetzlich nicht definiert. Sie werden von Auftraggebern und Auftragnehmerinnen einzeln oder gemeinsam verwendet, um zu sagen: Ich finde, diese Tätigkeit sollte als selbstständige Tätigkeit eingeordnet werden. – Das können sie tun oder vertraglich feststellen, es sagt nur erst einmal wenig über den tatsächlichen Status aus. Der ist nicht einfach irgendeine Bezeichnung und auch nicht frei wählbar. Der ergibt sich daraus, wie die Arbeitsbeziehungen tatsächlich aussehen. Denn rechtlich hängt viel zu viel am Status dran, als dass der nach Gusto von zwei Vertragsparteien festgelegt werden könnte – letztlich das gesamte Sozial- und Arbeitssystem.

Am deutlichsten zeigen die Diskussion um die Scheinselbstständigkeit, dass das eigene Gefühl und der allgemeine Sprachgebrauch etwas ganz anderes sein können als die rechtliche Definition der Selbstständigkeit. Zumal es die gesetzliche Definition nicht gibt: Gerichte, Finanzämter und Sozialversicherungen haben auf Grundlage weniger gesetzlicher Festlegungen für die Definition der Selbstständigkeit jeweils eigene Kriterien aufgestellt und fortentwickelt. Wer da nicht unnötige Nachteile in Kauf nehmen will, kommt nicht umhin, zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit lieber erst einmal den eigenen Status zu hinterfragen:

Basics zur Statusbestimmung

Grundsätzlich ist die Arbeitswelt in zwei Bereiche aufgeteilt, in selbstständig und abhängig Erwerbstätige: Letztere sind Beschäftigte, die "auf Lohnsteuerkarte" arbeiten, deren Steuern und Sozialabgaben der Arbeitgeber einbehält und weiter leitet. Selbstständige hingegen sind Unternehmen. Sie arbeiten "auf Rechnung", müssen sich um alle Steuern und Versicherungen selbst kümmern. Sie müssen sich Aufträge selber suchen, bekommen ihre Vergütung nur für vereinbarte Leistungen und Werke. Sie können selbst frei verhandeln wann, wie, wo und zu welchem Preis sie ihre Arbeitskraft einsetzen und sind nicht fest in die Arbeitsorganisation der Auftraggeber eingebunden. Ob diese Freiheiten in der Praxis tatsächlich existieren, oder nur auf dem Papier stehen, schauen sich im Zweifel die Sozialkassen und Finanzämter genauer an. (Da sie das unabhängig voneinander tun, gibt es beispielsweise Menschen, die arbeitsrechtlich Selbstständige bleiben, obwohl sie sozialrechtlich eindeutig abhängig beschäftigt werden.)

Die Selbstständigen teilen sich steuerrechtlich wiederum in Freie Berufe und Gewerbetreibende. Typisch für Gewerbetreibende sind Handelsgeschäfte und Kapitaleinsatz etwa beim Handwerk, Verkauf und Vertrieb oder der Produktion von Waren. Bei freien Berufen stehen selbst erbrachte hochwertige Dienstleistungen im Zentrum ihrer Tätigkeit. Der Unterschied macht sich vor allem im bürokratischen Aufwand bemerkbar: Gewerbetreibende müssen ihre Tätigkeit extra anmelden und sind bei der Buchführung und Steuererklärungen grundsätzlich strengeren Regeln unterworfen als Freiberuflerinnen. Zu den Selbstständigen, die einen freien Beruf ausüben, gehören beispielsweise Ärztinnen, Rechtsanwälte, Architekten, Dozentinnen sowie Künstler und Publizistinnen.

Bei selbstständiger Publizistik und Kunst ist es bedeutend, ob die Tätigkeit auch sozialrechtlich so gewertet wird. Hier fallen beispielsweise handwerkliche Kunst oder Texte, die nicht an die Öffentlichkeit gerichtet sind, durchs Raster. Ausschließlich, wenn unter allen Erwerbseinkommen jene überwiegen, die unstreitig aus künstlerischer oder publizierender Tätigkeit stammen, erfolgt die Sozialversicherung über das Sondersystem der Künstlersozialkasse. Alle anderen Selbstständigen müssen ihre Vorsorge für Krankheit, Alter, Invalidität etc. zu deutlich anderen Bedingungen organisieren.

Wer nebenberuflich selbstständig arbeiten will, kann das tun, und zwar ohne Beschränkung. Das dabei erzielte Honorar kann allerdings – wie jedes Einkommen – Auswirkungen haben: Es muss versteuert werden und kann dazu führen, dass BAFöG, Kindergeld, kostenlose Familienversicherung oder das Arbeitslosengeld gekürzt werden oder komplett wegfallen.

Sich über vier Abgrenzungen immer mal wieder kurz Gedanken zu machen, hilft, um böse Überraschungen im Umfeld der Erwerbstätigkeit zu vermeiden: