Mit Niedrigangeboten ins Geschäft kommen?

Bei vielen Beratungsgesprächen mit Berufsanfängern über angemessene Honorare fällt über kurz oder lang die Frage: "Ich will den Auftrag unbedingt haben. Soll ich nicht doch weniger verlangen?" – Ist eine Option, aber nur wenn es dafür einen sehr guten Grund gibt. Kein Option ist es, wenn es nur darum geht, bei ohnehin mäßig bezahlten Tätigkeiten über Dumping-Honorare Konkurrenzvorteile zu erhoffen: Das macht nicht nur die Preise der Branche weiter kaputt, es führt auch zu einem persönlichen Einkommensniveau, das weder kurz- noch langfristig existenzsichernd ist.

Hingegen ist es nicht falsch, bei Angeboten und Verhandlungen auch die eigene Berufserfahrung und die konkreten Bedingungen einzuberechnen. Die früheren "Honorarempfehlungen für journalistische Arbeit" der ver.di etwa sahen Abzüge und Aufschläge vom Durchschnittshonorar vor:

  • geringe Berufserfahrung: bis zu 20 Prozent Abzug,
  • langjährige Berufserfahrung: bis zu 30 Prozent Aufschlag,
  • kleiner Kunde/geringe Nutzung: bis zu 15 Prozent Abzug,
  • Arbeit in den Räumen des Kunden (kein eigenes Equipment nötig): bis zu 20 Prozent Abzug,
  • Vertrag mit Urlaubsentgelt und Honorarfortzahlung bei Krankheit: bis zu 10 Prozent Abzug.

Erfreulicherweise ist in vielen Geschäftsbereichen die Schnäppchenmentalität übrigens gar nicht so verbreitet, wie oft befürchtet wird: Seriöse Auftraggeber wissen, dass sie mit Selbstständigen, denen sie Arbeiten anvertrauen, in der Regel auch persönlich recht eng zusammenarbeiten werden. Und natürlich wissen sie auch, dass gute Arbeit ihren Preis hat. In manchen Boom-Branchen können sie sogar froh sein, wenn sie es überhaupt schaffen, zuverlässige Selbstständige langfristig an sich zu binden. Kurz: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit funktioniert einfach nicht, wenn sie nicht auf Augenhöhe stattfindet.

Klar gibt es die Jobs ohne Verhandlungsspielraum, die aber haben oft sehr wenig mit einer echter Selbstständigkeit zu tun. Für die gilt umgekehrt: Wer die Möglichkeit hat zu verhandeln und sich trotzdem bewusst unter Preis anbietet, läuft Gefahr, unprofessionell zu wirken und zusätzlich – sollte der Zuschlag zum Dumping-Honorar erfolgen – wird es unendlich schwer, aus diesem Preis-Keller wieder herauskommen, denn wie soll ich einem Kunden begründen, dass ich plötzlich angemessene Honorare haben will, wenn ich den letzten Auftrag doch noch für die Hälfte erledigt habe?

Trotzdem kann es Gründe für – sagen wir mal – Eröffnungssonderangebote geben. Etwa wenn sich Auftraggeberin und potentieller Auftragnehmer noch gar nicht kennen. Oder wenn beide keine rechte Vorstellung haben, welchen Aufwand ein Auftrag mit sich bringt. Solche Angebote lassen sich leicht und immer auch als solche kennzeichnen. Wer also sagt: "Ich mache diese erste Arbeit zu einem einmaligen Sonderpreis von soundsoviel €, damit wir uns kennen lernen können – mein normaler Preis lautet aber soundsoviel", kann bereits beim zweiten Auftrag angemessene Vergütungen verlangen. Zweites Beispiel: Wenn eine Selbstständige einen langfristigen Dienst übernehmen soll, bei der beide Seiten den konkreten Aufwand noch nicht übersehen können, spricht nichts dagegen zu vereinbaren: "Wir einigen uns für den ersten Monat auf demunddem Preis, damit wir ein Gefühl für den Aufwand bekommen, danach werden wir neu über den Preis verhandeln." – Wer Leistungen und Werke hingegen bedingsungslos zu günstig anbietet, bekommt damit in der Regel kein langfristig laufendes Geschäft, sondern Schwierigkeiten und verschlechtert ganz nebenbei die Bedingungen für alle anderen, die in der selben Branche arbeiten.


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