Privatinsolvenz für Selbstständige
Eine Insolvenz, die Entschuldung nach einer Zahlungsunfähigkeit, gibt es nicht nur für größere Betriebe. Während die eine Regelinsolvenz durchlaufen müssen, werden Einzelunternehmerinnen und Personengesellschafter, die ja auch mit ihrem gesamten Privatvermögen für betriebliche Verbindlichkeiten haften, wie Privatpersonen entschuldet: § 286 InsO (Insolvenzordnung) stellt sie ausdrücklich gleich. Das heißt umgekehrt, es gibt für diese Unternehmen keine isolierte Insolvenz für die geschäftliche Tätigkeit, sondern es steht die Privatinsolvenz – die eigentlich Verbraucherinsolvenz heißt – an. Damit kann die betroffene Person seit Oktober 2020 innerhalb von drei Jahren nach der Pleite wieder schuldenfrei sein. (Bis auf eventuelle Steuerschulden, die von der Entschuldung nicht umfasst sind. Wer Angestellte hatte, sollte wissen, dass auch fehlende Krankenkassenbeiträge normalerweise nicht entschuldet werden.)
Bei einer Privatinsolvenz Selbstständiger, die zur Restschuldbefreiung führen soll, sind einige Bedingungen zu erfüllen und Besonderheiten zu beachten, die in den §§ 287 bis 303 InsO ausgebreitet werden. Insbesondere setzt die einen Antrag des Schuldners voraus und sie ist nur möglich, wenn es weniger als 20 Gläubiger gibt und darunter keine (ehemals) Beschäftigten sind.
Zentral ist in dem Verfahren (das beim Insolvenzgericht beantragt wird), dass Schuldner während der dreijährigen "Abtretungsfrist" alle pfändbaren Einkommen an einen gerichtlich bestimmten Treuhänder abtritt, der das Geld an die Gläubiger verteilt. Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung vollständig und zulässig, beschließt das Insolvenzgericht, dass drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erfolgt, wenn die Schuldnerin zentrale Pflichten im Insolvenzverfahren erfüllt. Dazu zählt § 295 InsO insbesondere:
- Eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben (oder sich ernsthaft um eine solche zu bemühen) und bei einer selbstständigen Tätigkeit so viel Geld an den Treuhänder zu zahlen, wie er verdienen würde, "wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre",
- Erbschaften zur Hälfte an den Treuhänder abzutreten,
- Einkommen und Erbschaften offen zu legen und dem Gericht sowie dem Treuhänder (immer dann, wenn sie danach fragen) "Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen".
Prinzipiell steht die Privatinsolvenz nur ehemals Selbstständigen offen (die es ja mit der Pleite nicht mehr sind), alle anderen müssen die Regelinsolvenz durchlaufen. Allerdings kann während der dreijährigen Abtretungsfrist bei einer Privatinsolvenz eine neue selbstständige Tätigkeit aufgenommen werden. Das geht aber nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters, der prüft, ob das (beispielsweise im Vergleich zu einer Anstellung) keine Nachteile für die Gläubiger bedeutet. – Insbesondere wenn keine (besser bezahlte) abhängige Beschäftigung erreichbar ist und/oder der Grundsicherungsbezug droht, wird ein Insolvenzverwalter nichts gegen eine erneute Selbstständigkeit einwenden.
Wer während der Privatinsolvenz eine hauptberufliche Selbstständigkeit (neu) startet, muss mit dem Insolvenzverwalter klären, welche Zahlungen zu leisten sind. – Anders als bei einer abhängigen Beschäftigung kann hier ja nicht auf die Pfändungsgrenzen, also den Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO zurückgegriffen werden (der turnusmäßig jeweils zum 1 Juli angepasst wird).
Daher wird das oben bereits erwähnte fiktive Einkommen angesetzt: ein Betrag, der so hoch ist, als wäre die Schuldnerin "ein angemessenes Dienstverhältnis" eingegangen. Die Vereinbarung über die angemessene Höhe treffen die Schuldner am besten (bzw. am sichersten) mit den Gläubigern: Weder das Insolvenzgericht noch der Treuhänder können hier einen verbindlichen Betrag festlegen. Eine Vereinbarung mit den Gläubigern mindert die Gefahr enorm, dass die am Ende der drei Jahre anzweifeln, dass die gezahlten Beträge ausreichend waren. In die Gesamtschau über die angemessene Rückzahlungssumme werden allerlei Größen einbezogen. Etwa: Tarifeinkommen bei vergleichbaren Tätigkeiten, Alter und Vermittelbarkeit durch die Arbeitsagentur, berufliche Erfahrungen und Abschlüsse.
Bis Ende September 2020 war die Befreiung von den Restschulden nach einer Privatinsolvenz in der Regel erst nach 6 Jahren möglich. Eine Verkürzung auf die heute normalen drei Jahre war bis dahin nur möglich, wenn bereits die Hälfte aller Schulden getilgt war.