Die 'Wahltarife Krankengeld' der gesetzlichen Kassen
Die gesetzlichen Krankenkassen werden im § 53 SGB V verpflichtet, Wahltarife für ein Krankengeld für alle anzubieten, die keinen automatischen Anspruch auf das gesetzliche Krankengeld haben. Manche Kassen bieten solche Tarife zusätzlich, andere alternativ (und dann in der Regel deutlich teurer) zum Normaltarif an, der einen Krankengeldanspruch vom 43. Krankheitstag an sichert. Und so gibt es nun eine bunte Vielfalt von ”Wahltarifen Krankengeld”, nämlich
- für unständig Beschäftigte,
- für befristet Beschäftigte, z.B. "auf Produktionsdauer" mit Verträgen über höchstens vier Wochen,
- für freiwillig versicherte Selbstständige,
- für über die KSK versicherte Künstlerinnen und Publizisten.
Natürlich gibt es auch Krankenkassen, die für die ersten drei Gruppen einheitliche Tarife anbieten. Die gibt es dann wiederum in unterschiedlichen Varianten und zu unterschiedlichen Kosten, je nachdem ab welchem Tag die Versicherung eintreten soll:
- Ab dem 1. Krankheitstag (nur für unständig Beschäftigte),
- ab dem 15. Krankheitstag (für KSK-Versicherte muss dieser Starttermin angeboten werden),
- ab dem 22. Krankheitstag (das ist der übliche Starttermin für freiwillig Versicherte und unständig Beschäftigte), oder, wie beim gesetzlichen Krankengeld,
- ab dem 43. Krankheitstag oder noch später, z.B. ab dem 92. Krankheitstag.
Weil nach der Einführung der Wahltarife etliche nach Alter und Geschlecht differenziert und daher insbesondere für ältere Frauen kaum erschwinglich waren, hat der Gesetzgeber bestimmt, dass diese Tarife einheitliche Prämien enthalten müssen – unabhängig von Alter, Geschlecht und individuellem Krankheitsrisiko. Erlaubt ist allerdings weiterhin, dass diese Wahltarife vom Standard des gesetzlichen Krankengeldes abweichen, indem z.B. die maximale Zahlungsdauer verkürzt wird (in der Praxis werden statt der gesetzlichen Höchstdauer von 78 Wochen manchmal nur 52 oder gar 26 Wochen angeboten), und das Krankengeld auf weniger als 70 Prozent vom Bruttoeinkommen festgesetzt wird. Wer Tarife vergleichen will, sollte hier also sehr genau hinschauen! Als Richtgröße sollten dabei die 0,6% vom versicherungspflichtigen Einkommen dienen, mit deren Zuzahlung man – alternativ zu einem Wahltarif – ebenfalls einen Anspruch auf das volle gesetzliche Krankengeld ab dem 43. Krankheitstag erwerben kann. Ist der Wahltarif teurer, ist er zu teuer.
Die Krankenkassen ändern ihre Tarife häufig, so dass wir keine dauerhafte Empfehlungen abgeben können. Es lohnt sich aber, in den eigenen Vergleich durchaus auch Krankentagegeldtarife privater Versicherungen einzubeziehen. Die können in einzelnen Fällen günstiger sein als ein Wahltarif der gesetzlichen Kassen – zumindest wenn man sie schon in jungen Jahren abschließt. Günstiger als der 0,6-Prozent-Aufschlag zum Normaltarif dürften sie allerdings selten sein.
Aktuelle Tarifvergleiche finden sich in der Regel auf den Internetseiten der Stiftung Warentest, leider aber nicht in diesem Fall. Jedoch: Als die Stiftung Ende 2018 Krankengeld-Wahltarife verglichen hat, hat sie erhebliche Differenzen festgestellt. - Es kann sich trotzdem vor Abschluss eines Wahltarifs lohnen auch 2,50 € für diesen Wahltarife-Test (oder 1,50 € für den KSK-Wahltarife-Test) zu investieren. (Einen generellen Krankentagegeld-Test für 1,50 € hat die Zeitschrift bereits ein halbes Jahr vorher veröffentlicht.)
Auf keinen Fall sollten Selbstständige eine ”Rentabilitätsrechnung” anstellen nach dem Muster: Wie lange muss ich jedes Jahr mindestens krank sein, damit sich die Versicherung ”rechnet”? Das ist bei einem Wahltarif für ein vorgezogenes Krankengeld durchaus vernünftig, aber nicht für die Grundsatzentscheidung ”Krankengeld Ja oder Nein”: Das Krankengeld soll vor allem lang anhaltende und chronische Erkrankungen absichern, und vor denen ist niemand sicher. Dass es dann in den ersten sechs Wochen nichts gibt, ist nicht so gravierend. Existenzrettend sind bei einer schweren Erkrankung aber oft die 78 Wochen Krankengeld, die danach kommen.
Fünf grundsätzliche Nachteile der Wahltarife
- Zum einen muss, wer so einen Tarif abschließt, sich damit für drei Jahre an seine Krankenkasse binden (statt 18 Monate wie bei der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung).
- Damit gibt es für mindestens drei Jahre kein Sonderkündigungsrecht. bei einem steigenden Zusatzbeitrag. Der Wahltarif Krankengeld ist übrigens der einzige Wahltarif, bei dem die Sonderkündigung generell nicht gilt, wenn die Kasse den Zuschlag zum gesetzlich festgelegten Beitrag verändert.
- Drittens gibt es in der Regel eine Karenzzeit: Wer so einen Wahltarif abschließt, muss zunächst einmal einen bis fünf, bei manchen Kassen sogar sechs Monate warten (und bezahlen!), bis er krank werden darf und tatsächlich Krankengeld bekommt. Wie das bei der eigenen Kasse genau geregelt ist, steht in ihrer Satzung.
- Weiterhin ist das Krankengeld aus den Wahltarifen, das grundsätzlich steuerfrei ist, dem Progressionsvorbehalt unterworfen. Das war nach der Einführung umstritten, wurde dann aber vom Bundesfinanzhof bereits Ende 2008 entschieden (AZ X R 53/06). Bei einem Vergleich mit privaten Krankentagegeldversicherungen, die nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen, muss das berücksichtigt werden.
- Überproportional teuer wird das Krankengeld schließlich - wie auch die Krankenkassenbeiträge - für gering verdienende Selbstständige, die einen Wahltarif als freiwillig Versicherte abschließen. Auch hier gilt ein angenommenes Mindesteinkommen. Das aber führt zu Beiträgen, die für das Krankengeld prozentual weit höher liegen, als der nominelle Aufschlag. Gleichzeitig darf das Krankengeld nicht höher ausfallen, als 70 % des tatsächlichen Gewinns. - Das fiktive Einkommen auf dessen Grundlage die Tarife mindestens berechnet werden, lag bis Ende 2018 weit über 2.000 €, durch die gesetzliche Änderung beim angenommenen Mindesteinkommen liegt dieses heute bei rund 1.178,33 €.
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