In erster Linie sind die Gig-Economy-Unternehmen von einem Gesetz betroffen, das den kalifornischen Senat am 10. September mit einer Mehrheit von 29 zu 11 passiert hat. Stimmt der Assembly Bill 5 (AB5) nach dem Senat auch das Parlaments-Unterhaus zu, kann ab dem Jahr 2020 in dem wichtigen US-Bundesstaat Scheinselbstständigkeit effektiver bekämpft werden. Das Unterhaus hatte bereits Ende August mit 59 zu 15 Stimmen für das Gesetz gestimmt, daher wird hier eine Mehrheit erwartet.
Die Neuregelung ist nicht auf Internet-Firmen beschränkt, aber eindeutig auf das Modell von ausbeuterischen Arbeitsplattformen gemünzt. Damit werden insbesondere Uber und Lyft durch das Gesetz erfasst, das Scheinselbstständigkeit durch eine Beweislastumkehr begrenzen will. Die beiden ohnehin defizitären Plattformen rechnen nun mit Kostensteigerungen bis zu 30 Prozent, sollten sie ihren Beschäftigten Arbeitsrechte und gewerkschaftliche Organisation gewähren müssen. – Kein Wunder, dass die beiden Fahrdienstleister nach einem ORF-Bericht einen poltischen Kampffond aufgelegt haben. Gemeinsam mit dem Lieferdienst Doordash haben sie „90 Millionen Dollar zurückgelegt. Damit soll ein Referendum vorbereitet werden, um Ausnahmen für ihre Unternehmen zu erwirken“.
Die Folgen der Assembly Bill 5 (AB5) mögen für Plattformen eine Revolution sein, wie der Österreichische Rundfunk in seinem Bericht vermerkt, allerdings will der Gesetzgeber hier eigentlich eine Selbstverständlichkeit kodifizieren, nämlich „sicherstellen, dass Arbeitnehmer, die derzeit durch eine Fehlklassifizierung als unabhängige Auftragnehmer ausgebeutet werden, als solche anerkannt werden und die Grund- und Schutzrechte nach dem Arbeitsrecht bekommen.“
Die ver.di-Selbstständigen berichteten bereits am 30. August in einer Facebook-Meldung, wie die AB 5 die Scheinselbstständigkeit und Diskussionen um den Status von Arbeitenden begrenzen soll: Durch eine schlichte Umkehr der Beweislast. Hierzu wird der vom Obersten Gerichtshof des Landes entwickelte „ABC-Test“ angewendet, der im Gesetz wie folgt aussieht:
„Eine Person, die gegen Entgelt Arbeit oder Dienstleistungen erbringt, gilt als Arbeitnehmer*in, es sei denn, der Auftraggeber weist nach, dass alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(A): Der Erwerbstätige ist bei der Ausführung seiner Arbeit frei von der Kontrolle und Leitung des Auftraggebers.
(B): Die verrichtete Arbeit liegt außerhalb der üblichen Beschäftigungen im Betrieb oder des üblichen Geschäftsfelds.
(C): Der Erwerbstätige hat ein eigenes, unabhängiges Unternehmen oder Gewerbe und wird damit auch jenseits des aktuell beauftragten Jobs aktiv.“
Kurz: Wirtschaftlich abhängige Gig-Arbeiter*innen, die durch Apps kontrolliert das Kerngeschäft einer Plattformen verrichten, sind als normale Beschäftigte zu behandeln. Das festige die Position Kaliforniens als „Spitze für Arbeitsplatzrechte und setzt den Standard für den Rest des Landes“, freut sich die California Labour Foundation, in seiner Einschätzung der Senats-Entscheidung. Die sieht der Gewerkschafts-Dachverband, der auch eine Themenseite zum AB5-Gesetz erstellt hat, als „historischen Sieg“ und als „wirksamen Gegenpol zur Gier und Ausbeutung durch Unternehmen, die zu Ungleichheiten in aufstrebenden und traditionellen Branchen gleichermaßen führt“, weil Die falsche Klassifizierung von Arbeitnehmern als Selbstständige „einen korrosiven Effekt, der die gesamte Wirtschaft erfasst“ hat und Schutzgesetze untergräbt.
Die wenig überraschende Antwort von Uber kommt per Statement von deren Chef-Jurist Tony West: „AB5 schafft Fahrern keine Ansprüche, AB5 gibt ihnen nicht das Recht sich zu organisieren.“ Tatsächlich sage das Gesetz gar nichts zu den Fahrern. Zudem seien diese auch gar nicht im Kerngeschäft von Uber tätig. Das sei eben nicht, Fahrdienstleistungen anzubieten, sondern „als technische Plattform für verschiedenste digitale Marktplätze“ zu dienen.
Im Artikel Etappensieg für das digitale Proletariat in Kalifornien finden sich in der Tageszeitung ‚Neues Deutschland‘ weitere Hintergründe zum neuen Gesetz. Ein Artikel in The Verge geht auf die Uber-Reaktion ein.