Wenn der Kunde nicht zahlt
Leider gibt's das auch: Der Kunde hat nach 30 Tagen noch nicht gezahlt. Solange es da nicht um große Summen und offensichtliche Betrügereien geht, empfehlen wir, erst mal die Finger von kostenpflichtigen Mahnverfahren oder gerichtlichen Auseinandersetzungen zu lassen. Ruft einfach mal an und erkundigt euch, was los ist. Oder schreibt eine freundliche Zahlungserinnerung mit dem Tenor "vermutlich haben Sie übersehen...", ohne das böse Wort "Mahnung", ohne Fristsetzung. Oft ist die Sache damit schon geklärt.
Ein rigideres Vorgehen gegen säumige Auftraggeber – dazu gleich mehr – kann leicht zur Folge haben, dass man die nicht als Dauerkunden gewinnt. Wenn es sich also nicht eindeutig um einen einmaligen Auftrag handelt, kann einem Kunden mit einer förmlichen und dennoch freundlichen Erinnerung noch eine Chance gegeben werden. Darin kann ruhig auch deutlich darauf hinweisen werden, dass man das Recht hätte, von Firmenkunden seit dem 31. Tag nach Zugang der Rechnung die Forderung einzutreiben und Zinsen zu verlangen. Bei Privatkunden bzw. Verbraucherinnen ist das nicht möglich und sehen auch ein paar andere Dinge leicht anders aus. – Wir schildern im Folgenden das Vorgehen gegen Kunden im Inland. Prinzipiell genauso läuft es bei säumigen Zahlern in Europa: Hier gibt es dann das europäische Mahnverfahren und die Klage vor einem ausländischen Gericht. (Siehe unten "Weitere Links".)
Ob und wie mit Kunden umgegangen wird, bleibt ein Stück weit immer den Umständen und dem Fingerspitzengefühl überlassen. Klar ist, dass die rechtliche Situation eigentlich eine starke Position für die Auftragnehmerin begründet: Sofern keine längere Zahlungsfrist wirksam vereinbart wurde, kommt nach § 286 BGB jede Unternehmenskundin automatisch "in Verzug". Und zwar 30 Tage, nachdem das Honorar fällig wurde und der Auftraggeber eine Rechnung "oder gleichwertige Zahlungsaufstellung" erhalten hat. Wer Privatkunden hat, muss sie auf die Folgen des Verzugs in der Rechnung besonders hinweisen, wenn dieser Automatismus greifen soll. Steht nichts auf der Rechnung, ist bei "Verbrauchern" eine Mahnung notwendig, um den Verzug in Gang zu bringen.
Der Zahlungsverzug bedeutet juristisch: Grundsätzlich ist die Zahlung mit Abschluss der Leistung oder Lieferung der Ware fällig. Durch die BGB-Regelung zum automatischen Verzug von Geschäftskunden entsteht eine 30-Tage-Zahlungsfrist, bei deren Überschreiten Verzugszinsen und eine geringe Mahngebühr für Porto und Papier berechnet werden können. Vor allem aber kann gegen den Schuldner von diesem Tag an per Klage oder gerichtlichem Mahnverfahren vorgegangen werden. Mahnungen in Form von mehreren Erinnerungsbriefen sind – anders als in ferner Vergangenheit – bei Geschäftskunden nicht nötig, um eine Forderung zur betreiben. Von solchen Kunden kann gemäß § 288 Abs. 5 BGB seit Juli 2014 zudem auch noch eine pauschale Gebühr von 40 € verlangt werden, sobald er in Verzug geraten ist.
Eine kürzere Zahlungsfrist als die gesetzlichen 30 Tage, kann gegenüber Geschäftskunden vereinbart werden, muss aber schriftlich im Vertrag oder den eigenen AGB verankert sein. Längere Zahlungsfristen sind natürlich unproblematisch, allerdings hat der Gesetzgeber zum Schutz vor übermächtigen Kunden, die ewig lange Zahlungsfristen durchdrücken wollen, eine 60-Tage-Frist (bei öffentlichen Auftraggebern sogar nur 30 Tage) als Maximum definiert. Sollen jeweils noch längere Zahlungsfristen vereinbart werden, verlangt der § 271a BGB, dass dies ausdrücklich festgelegt wird und eine längere Zahlungsfrist als 60 Tage "im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist" bzw. bei öffentlichen Aufträgen eine längere Frist als 30 Tage "aufgrund der besonderen Natur oder der Merkmale des Schuldverhältnisses sachlich gerechtfertigt ist". Die längere Frist muss also in beiden Fällen begründet sein, angemessen und zumutbar bleiben.
Recht haben und Recht bekommen sind auch beim Eintreiben von Geld im Zweifel von der Beweislage abhängig. Will oder kann eine Kundin offensichtlich nicht zahlen, ist es eine Überlegung wert, wie groß die Chance ist, an das Geld heranzukommen, wie gut die Dokumentation der Forderung (insbesondere bei mündlichen Verträgen) aussieht und ob die strittige Summe oder die Befriedigung, sich nicht alles bieten zu lassen, den zeitlichen und emotionalen Aufwand für ein Mahnverfahren oder die Klage aufwiegen.
Ist die Antwort auf die letzte Frage ja, dann gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Außenstände einzutreiben: Klage erheben – mit Klageschrift, Gerichtsverhandlung und nicht unerheblichen Kosten – oder Mahnverfahren einleiten. Letzteres ist im Prinzip einfacher, schneller und kostengünstiger, wenn der Kunde nur eine nachdrückliche Erinnerung braucht. Das Gericht erlässt den Mahnbescheid ohne weitere Überprüfung einfach auf Grund der Angaben der Gläubigerin. Dieser Bescheid ist allerdings automatisch hinfällig, sobald der Schuldner ihm widerspricht statt nun zu zahlen.
Bei Kunden, bei denen ohnehin klar ist, dass sie nicht zahlen wollen oder werden, sind die Gebühren für ein Mahnverfahren daher rausgeschmissenes Geld. Hier bietet sich eine Klage eher an als das Mahnverfahren. Ebenso ist eine Klage sinnvoll, wenn es so scheint, als könne der Gläubiger bald in ein Insolvenzverfahren rutschen. In dem Fall ist immer Eile in Form der sofortigen Klage angebracht.
ver.di-Mitglieder können mit der gewerkschaftlichen Rechtsberatung beraten, ob es sinnvoller ist, ein Mahnverfahren einzuleiten oder gleich Klage zu erheben. Die Klage überlässt man, sobald die Zusage für den Rechtsschutz vorliegt, einem Anwalt der Gewerkschaft; das Mahnverfahren kann man ohne Anwalt selbst betreiben, sollte aber im ver.di-Bezirk auf jeden Fall vorher Rechtsschutz beantragen. Der gilt allerdings nur, wenn die Selbstständige etwas von ihrem Auftraggeber will, für die Mahnungen und Klagen gegen eigene Privatkunden, etwa Klienten oder Schülerinnen, ist der gewerkschaftliche Rechtsschutz nicht da.
Wer eine offene Forderung eintreiben will, hat ziemlich viel Zeit. Wenn nicht die unmittelbare Insolvenz des Kunden droht, gibt es keinen Anlass hektisch zu werden, denn die regelmäßige Verjährung von Forderungen aus Aufträgen beträgt drei Jahre (§ 195 BGB) und zwar "mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste" (§ 199 BGB). Das heißt: Eine Forderung aus dem Jahr 2021 kann noch bis zum 31.12.2024 gerichtlich (per Klage oder Mahnverfahren) geltend gemacht werden. Ist diese Frist verstrichen, bleibt die Zahlungspflicht zwar formell bestehen, der Schuldner kann sich aber gemäß § 214 BGB darauf berufen, dass er nicht leisten wird. Ein schlauer Kunde wird das tun, denn wer diese "Einrede der Verjährung" vorzubringen vergisst, kann beispielsweise von einem Gericht (trotz Verjährung) zu einer Zahlung verdonnert werden. Und auch nachträglich kann die Verjährung nicht geltend gemacht werden: Merkt ein Kunde erst nach der Zahlung, dass er stattdessen die Verjährung hätte geltend machen können, muss ihm das Geld nicht zurück gegeben werden.