A1-Bescheinigung – der europaweite Versicherungsnachweis

Die A1-Bescheinigung gibt es bereits seit 2010, so richtig ernst nehmen sie Selbstständige aber erst, seit einige EU-Länder intensiver kontrollieren, ob die Bescheinigung vorliegt. Sie dient im EU- bzw. EWR-Ausland sowie in der Schweiz als Nachweis, dass bei Erwerbstätigkeit die Sozialvorschriften des Heimatlandes gelten und damit mittelbar, dort auch versichert zu sein. Die Pflicht, diesen Nachweis zu erbringen, soll vor allem grenzüberschreitende Schwarzarbeit und Ausbeutung verhindern. Und auch wer in Berufen arbeitet, wo das gar kein Thema ist: Wer die Bescheinigung bei einem Auslandsjob nicht vorweisen kann, läuft Gefahr, sowohl zusätzliche Beiträge für die ausländische Sozialversicherung als auch ein Bußgeld zu zahlen. Und wer es positiv sehen will: Die Bescheinigung schützt bei Tätigkeiten im Ausland vor Doppelbeiträgen und Missverständnissen. Sie muss auf Verlangen bei einer (noch so kurzen) Berufstätigkeit im Ausland vorgezeigt werden.

Klar, dass nicht bei jedem geschäftlichen Auslandbesuch oder Kundengespräch eine Kontrolle erfolgt oder möglich ist. Ein Risiko haben hier vor allem jene, die stationär arbeiten, etwa, weil sie auf ausländischen Baustellen oder Filmsets jobben. Trotzdem: Die Regeln gelten faktisch für jede berufsbedingte Auslandsreise und unabhängig vom Erwerbsstatus. Da kann schon eine Messeteilnahme, ein mehrtägiger Arbeitseinsatz beim Kunden oder ein Konzertauftritt Überraschungen und unangenehme Situationen bringen, da es derzeit keine Bagatellgrenze gibt. Nach den Buchstaben des Gesetzes wird bei jeder, selbst bei nur stundenweiser, Tätigkeit eine A1-Bescheinigung fällig.

Ursprünglich wurden Selbständige im elektronischen Verfahren der Antragstellung vergessen und sie mussten auf kompliziertem Weg die Papierversionen der Bescheinigung besorgen. Seit Anfang Oktober 2023 ist für die Meldungen jedoch das SV-Meldeportal vorgesehen, seit 15.1.24 nur noch dort möglich. Das Portal ist im Prinzip kostenpflichtig, aber für jene, die das "SV-Meldeportal ausschließlich als Selbstständige im Rahmen des A1-Antragsverfahrens nutzen" gebührenfrei. Für den „A1-Antrag Entsendung Selbständige“ ist jedoch eine Registrierung für das Meldeportal notwendig. Diese Registrierung ist für Selbstständige, die keine Angestellten entsenden wollen, alles andere als intuitiv. Zentral ist, dass sie für die Anträge einer A1-Bescheinigung erst einmal ein ELSTER-Unternehmenskonto einzurichten haben. (Wozu natürlich eine ELSTER-Anmeldung und die ELSTER-Zertifikatsdatei benötigt werden.)
Zurzeit muss für die Registrierung beim SV-Meldeportal also erst einmal ein ELSTER-Organisationszertifikat besorgt werden. Damit dann das Sozialversicherungsportal die Finanzverwaltungsdaten nutzen darf, müssen im Rahmen der Zertifikaterstellung die Unternehmensdaten entsprechend freigeben werden, damit diese zur Registrierung am SV-Meldeportal verwendet werden können. 
Ein wenig hilft hier die Beschreibung zur Registrierung aufmerksam zu lesen. Die richtet sich (natürlich) erst einmal an Arbeitgeber, jedoch kommen auch Solo-Selbstständige, an die die Erfinder des Prozesses offensichtlich wenig Gedanken verschwendet haben, mit ein wenig Mühe ans Ziel. Und in dieser Anleitung ist immerhin bereits eine Änderung angekündigt, die - wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben - eventuell ein wenig bürokratische Erleichterung schaffen könnte. Demnach wird für Selbstständige, die das SV-Meldeportal ausschließlich in Sachen A1-Bescheinigungen nutzen wollen "alternativ zum ELSTER-Unternehmenskonto ab 2024 auch das BundID-Konto für die Registrierung und Anmeldung angeschlossen".

Der Hintergrund für den ganzen Aufwand ist: Grundsätzlich, so Artikel 11 der EU-Verordnung Nr. 883/2004"unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats". Wenn sie jedoch "in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt" (so Artikel 12), unterliegt die Person den Vorschriften des eigenen Wohnmitgliedstaats, "wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt". Zwar regelt die Verordnung tatsächlich noch viele Sonderfälle und legt die Verordnung Nr. 987/2009 noch seitenweise Definitionen nach, aber im Kern und Normalfall geht es exakt um diese paar Sätze und die schlichte Tatsache, dass bei grenzüberschreitender Arbeit in der EU keine ständige An- und Abmeldung zur Sozialversicherung im Arbeitsland erfolgen soll. Dass aber tatsächlich eine durchgehende Versicherung im Heimatland vorliegt (und keine Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen im Arbeitsland notwendig ist), muss nachgewiesen werden. Der ganze Aufwand wird betrieben und wurde leider nötig, weil es ohne entsprechende Kontrollen zu massenhaftem Betrug an den Sozialversicherungen durch entsendende Unternehmen kam und kommt.

Manchmal wird im Ausland auch ein nachträglicher Nachweis akzeptiert, aber erstens ist das sehr unsicher und zweitens vergleichsweise aufwändig. Daher: Die Bescheinigung am besten immer vor einer Geschäftsreise oder dem Auslands-Gig besorgen.


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