Bürgergeld und Grundsicherung
Alle Selbstständigen, die zu wenig zum Leben verdienen, können Grundsicherungsleistungen beantragen. Dieses derzeit "Bürgergeld" genannte Leistung soll lediglich das Existenzminimum sichern. Es ist nur etwas anders gestrickt als das vorherige Arbeitslosengeld 2 (ALG 2). Das Prinzip blieb aber gleich: Als bedürftig gelten alle Erwerbsfähigen, die mindestens drei Stunden täglich arbeiten können und zu wenig Einkommen, kein Vermögen und keine reichen Mitbewohner haben. Also auch jene, die trotz Arbeit zu wenig Geld zum Leben haben. Selbstständige, die beispielsweise in Auftragsflauten stecken, können "aufstocken", sie erhalten einen Zuschuss, damit das verfügbare Einkommen das Existenzminimum erreicht.
Die Ampelkoalition aus 2021 hatte mit dem Bürgergeld einige Erleichterungen bei der Grundsicherung umgesetzt, die Ankündigungen der schwarz-rote Koalition aus 2025 deuten darauf hin, dass die wenigen Verbesserungen gegenüber dem früheren ALG 2 bzw. Hartz IV – etwa beim Schonvermögen – wieder zurückgenommen werden. Bis dahin gelten die durch das Bürgergeld geschaffenen Erleichterungen bei der Grundsicherung:
- Wer auf Unterstützung angewiesen ist, darf im ersten Jahr des Leistungsbezugs Vermögen bis zu 40.000 € anrechnungsfrei behalten. Für weitere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhöht sich die Grenze um jeweils 15.000 €.
- Ein Freibetrag sorgt dafür, dass Anteile des Einkommens nicht angerechnet werden.
- Der absolute "Vermittlungsvorrang in abhängige Arbeit" wurde abgeschafft. Allerdings bleibt es bei der Ermessensentscheidung. Nach § 10 SGB 2 ist eine Vermittlung in (abhängige) Arbeit beispielsweise auch dann zumutbar, wenn "sie mit der Beendigung einer [selbstständigen] Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann."
Die kleinen Verbesserungen beruhten auf Erfahrungen aus dem "erleichterten Zugang" während der Corona-Pandemie. Dass es nur zum kleinen Wurf gereicht hat, war der CDU zu verdanken, die alle Vorurteile, die die einstige SPD-Grünen-Koalition vor Jahrzehnten in die erste Hartz-Gesetze geschrieben hatte, wieder aufgewärmt hat und im Bundesrat weiter gehende Erleichterungen blockierte.
Das Prinzip der Grundsicherung
In diesem Ratgeber schildern wir nur die wichtigsten Regelungen. Wer zu den allgemeinen Regeln mehr wissen will, findet weitere Informationen und Rat bei der ver.di-Erwerbslosenberatung (auch für Aufstockende) und bei der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen. (Speziell zur Grundsicherung im Rentenalter informiert eine DRV-Broschüre.)
Das Bürgergeld hieß früher Arbeitslosengeld 2, folgte und folgt aber einem ganz anderen Prinzip als das Arbeitslosengeld:
- Das Arbeitslosengeld (ALG) ist eine Versicherungsleistung. Wer lange genug Beiträge bezahlt hat und dann arbeitslos wird, hat für eine bestimmte Zeit Anspruch auf dieses Geld. Je mehr zuletzt eingezahlt wurde, desto höher fällt das ALG aus. Ob nebenbei z.B. Kapital-Einkünfte oder Vermögen bestehen, spielt für die Höhe der Leistung grundsätzlich keine Rolle.
- Das Bürgergeld ist eine Sozialleistung. Es wird nur an erwerbsfähige bedürftige Personen gezahlt, die keine ausreichendem Mittel für den Lebensunterhalt aufbringen können. Beiträge müssen sie nicht gezahlt haben – dafür wird aber alles Geld, das ihnen Verfügung steht, nach bestimmten Regeln angerechnet und muss vorrangig verbraucht werden. Auch eine Erbschaft, eine Steuerrückzahlung, ein Lottogewinn oder das Honorar für einen lange zurückliegenden Auftrag. (Details findest du in einem weiterführenden Text.)
Rahmenbedingungen
Wer eine Grundsicherung, also in der Regel Bürgergeld bekommt, für den übernimmt der Leistungsträger die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung komplett. Auch die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung mussten zeitweilig bis zur Höhe des Basistarifs erstattet werden, weil das Bundessozialgericht Anfang 2011 entschieden hatte (Az. B 4 AS 108/10 R), es gehe nicht an, privat versicherten Sicherungs-Beziehern nur rund die Hälfte davon zu erstatten. Mit einer Gesetzesänderung gilt seit 2019 wieder maximal die Hälfte des Basistarifs als angemessene Hilfe, allerdings mit der Vorgabe an die Versicherer, Betroffenen in der Grundsicherung auch nur noch den halben Basistarif abzuknöpfen. Dazu wurde im § 26, Abs. 1 SGB 2 der Zuschuss begrenzt auf "die Höhe des nach § 152 Abs. 4 des VAG halbierten Beitrags für den Basistarif in der privaten Krankenversicherung". Die konkreten Bedingungen erläutert das Merkblatt "Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen", Details zur Berechnung des Zuschuss' finden sich auch im Punkt 2.2 der fachlichen Weisung zu § 26 SGB 2. – Ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung ist privat Versicherten, die in das Bürgergeld abrutschen, nicht erlaubt.
Ein Beitrag an die gesetzliche Rentenversicherung wurde 2011 ersatzlos gestrichen. Wer während des Bezugs von Leistungen mit einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit, etwa als Dozentin, mehr als 556 € im Monat verdient, muss dafür die fälligen Beiträge selbst zahlen. Für Künstlerinnen und Publizisten gilt diese Pflicht schon ab 325 € im Monat. Die gesetzliche Krankenversicherung hingegen übernimmt die Arbeitsagentur.
Eine Sonderregelung gibt es für jene, deren Einkommen knapp an der Grenze zum Bürgergeld-Anspruch liegt und die allein durch die Beiträge zur Krankenversicherung in das Bürgergeld rutschen würden. Jene, die im Leistungsbezug über die Arbeitsagentur krankenversichert wären und dadurch wieder ein Einkommen über der Grundsicherungs-Grenze realisieren würden. Um hier ein heilloses Kuddelmuddel zu vermeiden, bekommen die Betroffenen einen Zuschuss "für eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung". Die darf nicht teurer sein als eine freiwillige gesetzliche Versicherung. Diese Regelung gilt auch für eine private Krankenversicherung. Bezahlt wird genau so viel, dass das Einkommen exakt an die Grundsicherungs-Grenze rutscht. – Dieser Zuschuss gilt nicht als Grundsicherungsleistung. Wer ihn bekommt, kann beispielsweise nicht zu berufsfremden Tätigkeiten oder zur Berufsaufgabe gezwungen werden. Wie sich der Zuschuss in diesen Fällen berechnet, hat die Arbeitsagentur in einem Merkblatt Zuschuss ... zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit zusammengefasst. Wer noch genauer wissen will, wie die Mitarbeiterinnen der Agentur mit dem Zuschuss verfahren und ihn berechnen sollen, findet die Details in der fachlichen Weisung zu § 26 SGB 2.
Menschen, die als Selbstständige Grundsicherung beziehen, müssen nicht zwingend "dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen", allerdings wird beim Bezug von Bürgergeld die Fortführung der Selbstständigkeit nur akzeptiert, wenn sie die Chance bietet, damit mittelfristig auch wieder ausreichend Geld zu verdienen. Daher kann die Agentur auch verlangen, dass Betroffene, die in größerem Umfang längere Zeit aufstocken, ihre selbstständige Tätigkeit aufgeben und einen abhängigen Job annehmen. Nach dem Gesetz wäre in diesem Fall praktisch jede andere Tätigkeit zumutbar.
Für Neulinge in Sachen Grundsicherung – um ihnen die Corona-Situation wenigstens etwas erträglicher zu machen – hatten die ver.di-Selbstständigen in der Corona-Krise eine Basisbroschüre zur Grundsicherung für Selbstständige erstellt. Die jüngste Auflage entstand im Januar 2022. Zwar stimmen inzwischen die konkreten Zahlen an vielen Stellen nicht mehr, als Einstieg in die Logik des Bürgergeldes bleibt sie jedoch gut geeignet.