Selbstständig und ALG
Die Grundregel heißt: Wer das normale Arbeitslosengeld (also das frühere ALG1) bezieht, darf nebenher arbeiten, solange die Arbeitszeit unter 15 Stunden pro Woche bleibt. Das gilt gleichermaßen für das Arbeitslosengeld aus einer abhängigen Tätigkeit (nach § 136 SGB 3) wie für die aus der freiwilligen Weiterversicherung für Selbstständige, also das Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag (nach § 28a SGB 3). Ohne Kürzung ist dabei jedoch nur ein Verdienst von 165 € im Monat erlaubt. Was darüber hinausgeht, wird vollständig vom Arbeitslosengeld abgezogen. Wer 15 Stunden arbeitet, gilt nicht mehr als arbeitslos – und bekommt folglich auch kein Arbeitslosengeld mehr. Und die Grenze ist ernst gemeint: "Arbeitslose dürfen maximal 14 Stunden und 59 Minuten pro Woche arbeiten", stellte die Arbeitsagentur dazu in einer Pressemitteilung Anfang 2014 noch einmal extra klar.
Entscheidend ist bei einem Nebenjob, der der Agentur gemeldet werden muss, das Nettoeinkommen. In der Erklärung zu Einkünften aus selbstständiger Arbeit sind also die Einnahmen minus Betriebsausgaben, Sozialversicherung und Steuern maßgeblich. Wer da nicht für jeden Euro eine Quittung vorlegen möchte, kann für die Betriebsausgaben pauschal 30 Prozent der Einnahmen abziehen (beim Nachweis mehr) und vom Rest noch einmal 10 Prozent pauschal für die Steuern. Das ergibt dann "erlaubte" Einnahmen von 261,90 € im Monat. Erst wenn man diese überschreitet, bleibt nach den pauschalen Abzügen ein Nettoeinkommen von mehr als 165 € übrig.
Für die Anrechnung ist maßgebend, wann die Arbeit geleistet wurde – und nicht, wann das Geld eingegangen ist. Honorare aus früheren Zeiten, die erst nach der Arbeitslosmeldung eingehen, dürfen das Arbeitslosengeld I also nicht schmälern. Umgekehrt hat es keinen Sinn, Rechnungen und Zahlungen zu verzögern, um Leistungen der Agentur zu sichern, denn gemäß § 155 SGB 3 sind Nebeneinkünfte „in dem Kalendermonat der Ausübung anzurechnen“. Zur Frage wie hoch die ALG-1-Zahlungen sind und wie lange gezahlt wird, finden sich die Details im Text "Das Arbeitslosengeld: wie viel, wie lange und was noch?"
Während der Arbeitslosigkeit übernimmt die Arbeitsagentur die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung bzw. Zuschüsse zur Altersvorsorge gemäß § 173 SGB 3. Wer sich zwischendurch für befristete Aufträge abmeldet, muss sich für diese Zeit jedoch selbst versichern. Für über die Künstlersozialkasse Versicherte, ist das noch einfacher: Per Formblatt wird der KSK die Erwerbslosigkeit angezeigt und zugleich mitgeteilt, ob und wie sich das Jahreseinkommen aus der publizistischen oder künstlerischen Tätigkeit verändert. Entsprechend werden auf diese Einkommen die normalen Beiträge erhoben, die den Versicherungsschutz in der "Lücke" gewährleisten. KSK-Versicherte, die während des Bezugs von Arbeitslosengeld (ohne Abmeldung) weiterarbeiten, müssen für die Honorare, sobald sie regelmäßig 325 € im Monat übersteigen, Rentenversicherungsbeiträge über die KSK zahlen. Von der Krankenversicherungspflicht über die KSK bleiben sie befreit.
Höherer Zuverdienst bei bisherigen Nebentätigkeiten
Eine interessante Ausnahmeregelung gilt für Personen, die schon als Angestellte nebenberuflich selbstständig waren: Wer neben der Anstellung in den letzten 18 Monaten vor der Arbeitslosmeldung mindestens 12 Monate lang regelmäßig und nachweisbar unter 15 Wochenstunden selbstständig gearbeitet hat, darf dies in der Erwerbslosigkeit weiter tun. Auch in einer anderen Nebentätigkeit. Bei einer solchen Fortführung einer Nebentätigkeit gelten die durchschnittlichen Einkünfte aus den letzten 12 Monaten vor der Arbeitslosenmeldung als zusätzlicher Freibetrag und werden gemäß § 155 Abs. 2 SGB 3 nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet.
Diese Regelung gilt auch für Leute, die eine Pflichtversicherung auf Antrag für Selbstständige eingegangen sind und einen geringfügigen Job neben der selbstständigen Tätigkeit ausgeübt haben. Die entsprechenden Regeln des § 155 Abs. 2 SGB 3, stehen inzwischen auch in den meisten Agentur-Informationen sowie in deren Fachlichen Weisungen zur Anrechnung von Nebeneinkommen. Wichtig und im Zweifel nachzuweisen ist, dass die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde. Das betont das Bundessozialgericht in einem Urteil aus 2011 (Az. B 7 AL 26/09 R). In Randziffer 16 erläutert das Urteil, welche Absicht der Gesetzgeber mit der Regelung hatte (die früher im § 141 SGB 3 stand). Nämlich "dem Arbeitslosen die Nebeneinkünfte zu belassen, die schon längere Zeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Lebensstandard mitbestimmt haben". Ausdrücklich verweist das BSG auf die Begründung des Gesetzgebers: "Ein Nebenverdienst soll nur dann anrechnungsfrei bleiben, wenn dieser Verdienst bereits über einen längeren Zeitraum das Gesamteinkommen bzw. den Lebensstandard mitbestimmt hat." Die Tätigkeit, so das BSG, müsse allerdings auch "tatsächlich ausgeübt worden sein". Daher sei beispielsweise Verletztengeld kein Einkommen im Sinne der Zuverdienstregel.
Manchmal versuchen Arbeitsagenturen auch, in die Berechnung der gearbeiteten Monate nur jene einzubeziehen, in denen Geld eingenommen wurde. Die Ausübung der Tätigkeit also nur anzuerkennen, wenn monatliches Einkommen vorliegt. Uns ist zu diesem Thema kein Urteil bekannt, jedoch: Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hätte er es so ins Gesetz schreiben können. Schließlich wurde laut Begründung "im Hinblick auf bestehende Missbrauchsmöglichkeiten" die Regelung mit den 12 und 18 Monaten eingeführt. Hier lohnt sich im Einzelfall ein Widerspruch. Denn: Bei vielen Werkverträgen – insbesondere im Kulturbereich – ist die Monatsbetrachtung lebensfremd. Wir interpretieren da die Rechtsprechung das BSG aus 2010 (Az. B 11 AL 31/09 R) durchaus anders.
Im Urteil findet sich unter Randziffer 19 die Erläuterung, der Gesetzgeber habe die Zielsetzung, Arbeitslosen Nebeneinkünfte zu belassen, die schon längere Zeit seinen Lebensstandard mitbestimmt haben "nicht auf Fälle der Erzielung von Nebeneinkommen ohne Unterbrechung beschränkt", sondern eben den Betrachtungszeitraum normiert, denn "von einer Prägung des Lebensstandards durch das Nebeneinkommen kann auch dann gesprochen werden, wenn dieses Einkommen nicht durchgehend zur Verfügung steht." Ausdrücklich verweist das Gericht darauf, dass der "Gesichtspunkt der Verminderung des Lebensstandards als Folge einer nur zeitweisen geringfügigen Beschäftigung" bereits ins Gesetz eingeflossen ist. Eben dadurch, dass nur das durchschnittliche (!) Monatseinkommen der letzten 12 Monate gewertet werde. "Über diese ausdrücklich geregelte Beschränkung hinaus kann einer nur zeitweise ausgeübten geringfügigen Beschäftigung jedoch keine weitere Bedeutung ... zukommen."
Auch andere Seltsamkeiten der Agentur hat das BSG in diesem Urteil abgeräumt. Erinnert sei an die Randziffern 19ff eines BSG-Urteil aus 2010 . Das Urteil wurde nötig, nachdem die Arbeitsagentur und Vorinstanzen den Freibetrag nur bei einer Fortführung des bisherigen Nebenjobs gewähren wollten. Dazu stellt das BSG klar, es gäbe "keinen Anhalt für die Auffassung, die Privilegierung bei der Anrechnung greife nur dann, wenn die ursprüngliche Tätigkeit weitergeführt werde ... Weder für die Zeit vor Anspruchsbeginn noch für die Zeit danach findet sich im Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung, es müsse sich um eine einheitliche Beschäftigung handeln oder es sei eine zusammenhängende Ausübung zu verlangen."
ALG pausieren für einzelne Aufträge
Alle, die vor dem ALG-1-Bezug angestellt waren, können auch die vorübergehende Abmeldung bei der Arbeitsagentur in Betracht ziehen. Das Abmelden macht Sinn, wenn nicht kontinuierliche Gelder, sondern einzelne größere Aufträge reinkommen: Wer also während der Arbeitslosigkeit klar definierte selbstständige Jobs erledigen will, meldet sich für die erforderliche Zeit per Veränderungsmitteilung ab. Dauert die Unterbrechung länger als sechs Wochen sind eine Abmeldung und danach ein Wiederbewilligungsantrag fällig. Die kurzzeitige Abmeldung, die auch elektronisch über die eServices erfolgen kann, dürfte die nervenschonendste Lösung sein: Das Honorar darf legal und ungekürzt vereinnahmt werden, wenn die Arbeitslosigkeit vorübergehend unterbrochen wird.
Allerdings sollte auch nicht arg überzogen werden. Dass etwa bei einer Lehrtätigkeit nicht nur die Vortragszeit aufzuwenden ist, sondern in der Regel auch Vor- und Nachbereitungszeiten anfallen, wissen selbst manche Jobcenter und manchmal sehen auch Gerichte Grenzen erreicht. So befand das Sozialgericht Berlin (Az. S 58 AL 2708/12) bei einer eintägigen Abmeldung, um für einen dreistündigen Vortrag für über 1.000 € zu halten, stehe "außer Zweifel, dass sie allein zu dem Zweck erfolgte, das erzielte Einkommen der Anrechnung als Nebeneinkommen zu entziehen". Mit Verweis auf § 46, Abs. 2 SGB 1 sah das Gericht in der Abmeldung eine Umgehung von Rechtsvorschriften, vor der die Versichertengemeinschaft geschützt werden müsse.
Während der Unterbrechungszeit müssen auch die Beiträge für die Krankenversicherung selbst gezahlt werden. Der "nachgehende Leistungsanspruch" bei den gesetzlichen Krankenkassen gilt (anders als dies mancher Internet-Tipp behaupten) nicht, wenn die Unterbrechung wegen einer selbstständigen Tätigkeit erfolgt. Die kostenlose Krankenversicherung für einen Monat nach dem Ende der Pflichtmitgliedschaft (gemäß § 19 SGB 5) gilt nämlich nur "solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird". Daher sind bei einer Unterbrechung für das Abarbeiten von Aufträgen Beiträge für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung fällig. Das gilt auch bei der Unterbrechung für wenige Tage. Die Krankenkasse berechnet die Beiträge für diese Zeit entsprechend der Angaben zur Versicherungszeit und dem selbstständigen Einkommen.
Eine Unterbrechung ist uneingeschränkt nur ratsam, wenn das Arbeitslosengeld wegen einer vorherigen abhängigen Beschäftigung bezahlt wird, bei einem "Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag" sieht das anders aus: Wer ALG 1 auf Grundlage der Unterbrechung einer selbstständigen Tätigkeit bekommt, also "nur" freiwillig versichert ist, fliegt bereits nach der zweiten Unterbrechung aus dieser freiwilligen Arbeitslosenversicherung. Es sei denn, es ist durch mindestens ein Jahr durchgängige Versicherung ein neuer Anspruch entstanden. Konkret: Nach einer zweiten Unterbrechung werden dann zwar noch Leistungen für die verbleibende Anspruchszeit gezahlt, eine Weiter- oder Wiederversicherung ist aber nicht möglich. – Hier wäre die vorübergehende Abmeldung also fast immer eine schlechte Wahl. [Diese Regel wurde wegen der Corona-Krise ab April 2020 und mit Verlängerungen bis Ende August 2021 vorübergehend ausgesetzt.]
Bezüglich der Startformalitäten und der Steuer gelten die allgemeinen Regeln, die in eigenen Kapiteln beschrieben sind. Weitere Informationen und Stellungnahmen zum Thema ALG finden sich beim Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit.
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