Das Geschäft
Das Schöne an der selbstständigen Arbeit ist, dass man mit dem, was man am liebsten macht, Geld verdienen kann. In einigen Fällen sogar ziemlich viel. Das Blöde an der selbstständigen Arbeit ist, dass man sich bei dem, was man am liebsten macht, dauernd mit Geld beschäftigen muss. Jeden Tag. Denn: Für Selbstständige gibt es so gut wie keine Tarifverträge oder festen Preislisten. Und staatliche Honorarordnungen mit Gesetzeskraft existieren nur für wenige etablierte Berufe wie Ärztinnen, Anwälte und Architektinnen. Alle anderen Selbstständigen müssen jeden einzelnen Preis selbst kalkulieren, anbieten und selbst aushandeln.
Eines sollten dabei alle wissen: Nicht nur Berufsanfängerinnen und -anfänger haben damit Probleme. Professionelle Honorare nicht nur zu erträumen, sondern auch zu verlangen und durchzusetzen, ist verdammt schwer. Aber auch verdammt nötig, wenn man nicht gleich als Möchtegern abgestempelt werden will.
In manchen Bereichen herrschen ganz spezielle Sitten. Krankenkassen diktieren z.B. die Preise, die sie Physiotherapeutinnen oder -therapeuten zahlen, mehr oder weniger einseitig, und viele Zeitungsredaktionen überweisen ohne Rechnung irgendwann irgendwelche Beträge, die sie für angemessen halten.
Selbstständige müssen lernen, selbst zu entscheiden, was ihre Arbeit wert ist. Sie müssen von Anfang an lernen zu kalkulieren, Angebote zu machen, Forderungen zu stellen, Rechnungen zu schreiben. Die wichtigste Regel dabei heißt: Über Geld muss man offen und deutlich reden. Und zwar vorher. Die zweite Regel heißt: Auftraggeber lieben überschaubare Summen. Und hassen Überraschungen auf der Endabrechnung. Also sollte man dem Kunden eine klare Vorstellung davon geben, was ihn der Auftrag am Ende kosten wird. Und sollte nicht die Forderung mit Hilfe versteckter Nebenkosten und anderer Tricks kleiner erscheinen lassen, als sie wirklich ist. Eine Rechnung, die den Kunden erschreckt ("Mit so vielen Nebenkosten hatte ich nicht gerechnet!"), ist eine schlechte Voraussetzung für weitere Aufträge.
Grundinformationen zum Vertragsrecht
Noch schwerer tun sich viele damit, zu den Honoraren dann auch noch klare Vertragsbedingungen auszuhandeln und zu formulieren. Auch hier gibt es zwei Grundregeln: Zum einen solltet ihr nie so tun, als wüsstet ihr, was ihr in Wirklichkeit gar nicht wißt. Anfänger bzw. Anfängerin zu sein ist keine Schande. Also redet mit euren Auftraggebern (erst recht, wenn es ein größeres Unternehmen ist), fragt nach dem Sinn von Vertragsklauseln, die ihr nicht versteht, lasst euch beraten, redet mit erfahrenen Kolleginnen. Und vor allem: Unterschreibt nie etwas, das ihr nicht vollständig verstanden habt oder von dem ihr nicht definitiv wisst, dass es richtig ist.
Zum anderen sollte sich niemand das Leben unnötig kompliziert machen. Gerade in Vertragsfragen herrscht ein unerklärlicher Drang, einfache Sachverhalte so unverständlich wie möglich auszudrücken. Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund: Der Satz "Ich liefere Ihnen morgen für Ihren Online-Auftritt 150 Zeilen über den Besuch der Vorstandschefin und bekomme dafür von Ihnen 250 Euro" ist ein vollständiger Vertrag. Es ist ein guter Vertrag, weil alles Weitere (in vernünftiger Form) im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist. Und es ist ein voll gültiger Vertrag auch dann, wenn es nur mündlich am Telefon vereinbart wurde.
Im Grunde ist Vertragsrecht ganz einfach: Wenn zwei Leute etwas voneinander wollen, dann besprechen sie, wie sie das regeln wollen. Und wenn sie sich geeinigt haben, ist der Vertrag fertig. Wollen sie dann noch sichergehen, dass sie sich richtig verstanden haben, schreiben sie das Ganze noch auf. Und zwar in möglichst klaren Worten, die jeder und jede versteht. Denn Verträge sollen vor allem Klarheit schaffen.
Im Einzelhandel sind da selten viele Worte nötig: Beide Seiten wissen, was sie voneinander wollen und wie das abgewickelt wird. Bei individuellen Dienstleistungen gibt es meist mehr zu bereden. Aber auch hier sollte, wer einen Vertrag schließen will, nicht das Internet nach irgendwelchen möglichst kompliziert klingenden Musterverträgen durchforsten, sondern diese Zeit lieber dafür verwenden, ausführlich mit dem Kunden zu reden. Denn Streit über Verträge gibt es in der Regel nur dann, wenn die Parteien nicht alles besprochen haben. Wenn der IT-Consultant nicht nach den Spesen gefragt hat, die er zusätzlich zum Tageshonorar haben will. Oder wenn die Auftraggeberin einer Journalistin nicht gesagt hat, dass sie den Text ohne weiteres Honorar auch in weiteren Medien publizieren will. Da hilft auch kein schriftlicher Vertrag – am Ende ist eine sauer. Oder auch beide.
Neun von zehn Honorarstreitigkeiten beruhen auf unklaren Absprachen, sagt ein Jurist, der solche Fälle im Rahmen des ver.di-Rechtsschutzes bearbeiten muss. Dass getroffene Absprachen nicht eingehalten werden, ist sehr selten die Ursache.
Das BGB ist dein Freund
Wichtiger ist, dass man sich (und den Auftraggebern) einige Grundsätze des Vertragsrechts klarmacht, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt sind. Denn in vielen Streitfragen zwischen Unternehmen steht das BGB auf der Seite der Schwächeren – und das sind häufig leider die Auftragnehmer. Nach dem BGB gilt zum Beispiel, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, dass der Auftraggeber
- einen Werkvertrag kündigen darf, aber trotzdem das volle Honorar zahlen muss – auch wenn ich mit der Arbeit noch gar nicht angefangen habe,
- immer das volle Honorar zahlen muss, wenn das Werk geliefert – und handwerklich in Ordnung – ist,
- keine "Nachbesserung" verlangen oder gar das Honorar mindern darf, nur weil ihm das Ergebnis nicht gefällt.
Dass viele Bildungsträger das Honorar für Veranstaltungen, die sie selbst kurzfristig abgesagt haben, gar nicht oder nur zur Hälfte auszahlen, entbehrt ebenso jeder gesetzlichen Grundlage wie das bei Printmedien beliebte "Ausfallhonorar" von 50 Prozent, wenn ein auf Bestellung gelieferter Artikel nicht gedruckt wird. (Rechtens ist beides nur, wenn es vorher vertraglich vereinbart wurde.)
Und wer sich die Gesetze noch genauer anschaut, kann entdecken, dass etliche Selbstständige sogar Anspruch auf bezahlten Urlaub haben – auf Kosten ihres Hauptauftraggebers. Auch wenn das keiner glaubt.